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Rheineck Brendenstrasse

Was Frauen zum Erfolg der Rheintaler Industrie beitrugen

Es gehört zu den Eigenarten von Geschichte(n) zu Wirtschaft, Wissenschaft oder Politik, dass überwiegend von Männern die Rede ist. Das trifft auch auf die Rheintaler Industriegeschichte zu.

Die Rheintaler Wirtschaft ist geprägt von Familienunternehmen. Frauen an der Spitze der Unternehmen sind rar – gestern und noch heute. Dennoch trugen sie über Generationen massgeblich zu deren Bestehen und zum geschäftlichen Erfolg bei. Sie wirkten im Hintergrund, zogen Kinder gross, managten den Haushalt, erfüllten Repräsentationspflichten oder waren im Unternehmen für Sekretariat und Buchhaltung zuständig – um später allenfalls als „gute Seele“ in den Firmengeschichten aufzutauchen.

Viele Unternehmen profitierten zudem von Arbeiterinnen in den Fabriken oder – während der Industrieblüte – als „Heimproletarierinnen“ im Stichlohn an den Stickmaschinen ihrer Häuser. Die Stickerei lag vorwiegend in Frauenhänden. 1834 schrieb das St.Galler Neujahrsblatt, in Rebstein, Marbach und Altstätten fänden sich „die geschicktesten Stickerinnen des Rheintals“. Hinzu kamen Tausende Grenzgängerinnen vor allem aus Vorarlberg. Oft wurden auch junge Mädchen aus Italien, dem Tessin und Graubünden als Arbeiterinnen „geholt“ und in Mädchenheimen untergebracht. Auch diese Frauen haben wesentlich zum Gedeihen der Rheintaler Industrie beigetragen.

Persönlichkeiten

  • Dufour-Onofrio Anna Joséphine

    Dufour-Onofrio Anna Joséphine

    Anna Joséphine Dufour-Onofrio (1817-1901) war die Tochter eines Tüllfabrikanten italienischer Abstammung und zog durch Heirat mit Pierre Antoine Dufour von Lyon nach Rheineck. Nach dem Tod ihres Mannes übernahm sie erst 25-jährig dessen Dufour & Co. in Thal, die Vorgängerin der Schweizerischen Seidengazefabrik SEFAR. Ihr Mann starb 1842 auf einer Reise nach New York an einem Hirnschlag. Unter ihrer Leitung gewann die Firma 1855 an der Weltausstellung in Paris eine Silbermedaille. Madame Dufour beschäftigte 80 Personen, dazu 460 Heimweberinnen und -weber. Bis zu ihrem Tod 1901 lebte sie in Rheineck.

  • Geser-Rohner Josy

    Geser-Rohner Josy

    Josy Geser-Rohner (1881-1961) ist die Tochter des Firmengründers Jacob Rohner in Rebstein. Sie übernahm 1935 nach dem Tod ihres Mannes Albert Geser-Rohner das Verwaltungsratspräsidium der Jacob Rohner AG. Bis zuletzt blieb sie an der Spitze eines der grössten Textilbetriebe des Landes, der im Rekordjahr 1954 rund 13 Prozent aller Schweizer Textilexporte produzierte. Josy Geser-Rohner wohnte in einer neubarocken Villa oberhalb von Rebstein, die seit 1976 zum Altersheim gehört. Sie war sehr religiös, pflegte enge Kontakte zum Vatikan und war 1913 Gründungspräsidentin des St.Gallischen Katholischen Frauenbundes.

  • Kriemler-Schoch Alice

    Kriemler-Schoch Alice

    Die Schürzennäherinnen von Kriessern trugen ihren Teil zum Aufstieg des internationalen St.Galler Modehauses Akris bei. Akris ist die Abkürzung der Firmengründerin Alice Kriemler-Schoch (1896-1972). 1922 begann sie mit der Produktion von Schürzen, und 1946 eröffnete sie in Kriessern eine Schürzennäherei. Sie tat dies nach Ende des Zweiten Weltkriegs auf der Suche nach guten Näherinnen. Die Schürzennäherei in Kriessern hatte 20 Jahre lang Bestand. Die Journalistin und Autorin Jolanda Spirig aus Marbach, die 2012 mit dem Rheintaler Kulturpreis ausgezeichnet wurde, hat dazu das Buch „Schürzennäherinnen“ verfasst.

  • Schmidheiny-Kuster Vera

    Schmidheiny-Kuster Vera

    Vera Schmidheiny-Kuster (gest. 1964), Frau des Unternehmers Ernst Schmidheiny, ist Namensgeberin des 1967 erbauten Seniorenzentrums Verahus in Balgach. Mit der Schenkung von 1,5 Mio Franken aus ihrem Nachlass wurde der Bau des Alters- und Pflegeheims ermöglicht. Bereits im Jahr 1942 liess die Ernst und Vera Schmidheiny-Stiftung für Ferienkinder das „Rhintalerhus” in Wildhaus errichten. Es ermöglichte bedürftigen oder von Krankheit geschwächten Kindern einen Erholungsurlaub im Toggenburg. Heutige Trägerin ist die Stiftung Sunnehus.

  • Stadler-Bischof Anna

    Stadler-Bischof Anna

    Anna Stadler-Bischof (1892-1988) und ihr Mann Benjamin gründeten 1928 in Altstätten  die Eisenwarenhandlung Stadler. Nach dem frühen Tod ihres Mannes führte die Witwe den Betrieb durch die wirtschaftlich schwierigen 1930er-Jahre und den Zweiten Weltkrieg. Mit der Eisenwarenhandlung wurde der Grundstein für SFS gelegt, das grösste weltweit tätige Rheintaler Unternehmen. Gemäss der Autorin Jolanda Spirig gäbe es «ohne den Einsatz von Anna Stadler-Bischof den Weltkonzern SFS in dieser Form nicht».

  • Lüchinger Brigitte

    Lüchinger Brigitte

    Brigitte Lüchinger (geb. 1972) ist Geschäftsleiterin der Lüchinger Metallbau AG in Kriessern, Au und Domat/Ems. Während sechs Jahren war sie Präsidentin des Arbeitgeberverbands Rheintal. Ausserdem sass sie im Vorstand des Schweizerischen Arbeitgeberverbands und übt mehrere Verwaltungsratsmandate aus. Die Lüchinger Metallbau AG besteht als Familienunternehmen seit 1966 und wird von Brigitte und ihrem Mann Stefan Lüchinger in zweiter Generation geführt. O-Ton, Brigitte Lüchinger  

  • Nüesch-Winzeler Johanna

    Nüesch-Winzeler Johanna

    Johanna Nüesch-Winzeler (1917-2012) präsidierte 1980 als erste Frau den st.gallischen Kantonsrat, dem sie von 1972 bis 1984 angehörte. Verheiratet war sie mit dem Stickereifabrikanten Hans Nüesch, dem sie als Inhaberin der Nüesch+Co. in Balgach folgte. Der freisinnigen Kantonsrätin ist die Gründung der St.Gallischen Kulturstiftung zu verdanken. Die gelernte Bibliothekarin präsidierte zudem den Frauenverein Balgach-Heerbrugg.

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